100 Tage neue Landebahn - eine Bilanz

In der Politik ist die Frist von 100 Tagen immer ein erster Meilenstein, um Bilanz zu ziehen. Auch die BI Flörsheim Hochheim nimmt diesen Tag (28. Januar) zum Anlass, um auf "100 Tage neue Landebahn" zurückzublicken:

Wie habe ich persönlich diese Zeit erlebt? Was hat sich für mich seit der Eröffnung der neuen Landebahn verändert?

Auf der Seite http://fluglaermportal.de können Sie nachlesen, wie andere Menschen diese 100 Tage empfinden und auch selbst Ihre Gedanken eintragen. 

 

Pressemitteilung

100 Tage Fluglärm

Ein schwarzer Tag für die Rhein-Main-Region: Vor 100 Tagen wurde die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen eröffnet – seitdem kämpfen Tausende gegen menschenunwürdige Zustände.


Zuerst ist es nur ein Donnergrollen am Horizont. Dann ein ohrenbetäubendes Brüllen und Pfeifen, das immer noch lauter wird. Ein gigantischer Schatten verdunkelt die Sonne: Das ist Flörsheim am Main seit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest am Frankfurter Rhein-Main-Flughafen. Teilweise im Minutentakt fliegen die Maschinen die Rollbahn an, die auf der anderen Mainseite im Kelsterbacher Forst liegt. 80 bis 90 Dezibel werden bei jedem Überflug in Flörsheim gemessen.


Es war einer der dunkelsten Momente in der Geschichte der gesamten Region. Mit der Eröffnung der neuen Landebahn am 21. Oktober 2011 durch Bundeskanzlerin Angela Merkel veränderte sich von einer Sekunde auf die andere das Leben vieler tausend Menschen in massiver Form. In den folgenden Tagen dröhnten bei Ostwind nahezu im Minutentakt die Flugzeuge in teilweise weniger als 250 Metern Höhe über die Dächer der Menschen hinweg – über 300 Maschinen täglich. Aus der bis dahin lebenswerten Region wurde ein verlärmter, unbewohnbarer Ort.


Viel schlimmer als erwartet

Dass die Auswirkungen des Flugbetriebs so verheerend sein würden, hatten die Menschen auch vor der Landebahn-Eröffnung schon befürchtet. Jahrelang hatten Tausende bereits dafür gekämpft, diese Bahn zuverhindern. Doch die Ausmaße dessen, was die Menschen in direkter Nähe zum Flughafen seitdem ertragen müssen, sind noch viel schlimmer und extremer als befürchtet.


Tränen und Fassungslosigkeit

Die ersten Reaktionen sind dementsprechend: Familien weinen um den Verlust der Heimat, Anwohner stehen betroffen und wortlos auf den Terrassen und Balkonen ihrer mühsam ersparten Häuser und Wohnungen, starren fassungslos nach oben und sehen mit an, wie ihnen Politik und Fraport plötzlich einen großen Teil ihrer Lebensgrundlage entziehen; Kinder sind verängstigt ob der Lautstärke und Größe der donnernden Kolosse am Himmel; die Menschen werden um 5 Uhr morgens jäh von Turbinen aus dem Schlaf gerissen und leiden seitdem unter Schlafmangel. Und fast alle sind sich einig: In vielen Gebieten der Rhein-Main-Region ist seit dem 21. Oktober an ein normales, gesundes Leben nicht mehr zu denken.


Protest und Demonstrationen

Doch die Reaktion der Betroffenen zeigt eindrucksvoll, dass sich die Bürgerinnen und Bürger diesen menschenunwürdigen Verhältnissen nicht beugen werden: Tausende melden sich seitdem in Medien mit Protestworten und -briefen zu Wort, werden bei Politikern vorstellig, bringen ihren Unmut auf Bannern und Plakaten zum Ausdruck. Den Kern der Protestbewegung bilden die Demonstrationen: Jeden Montag versammeln sich seit Wochen Tausende Menschen um 18:00 Uhr am Terminal 1 des Flughafens, um gegen den unerträglichen Fluglärm zu protestieren und ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen.


Fluglärm macht krank

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen gehen über den Lärm hinaus und betreffen auch die Emissionen. Die Menschen in der Region haben eine fünf bis sieben Jahre geringere Lebenserwartung und sehen sich einer signifikanten Erhöhung des Risikos für Herzkrankheiten, hohen Blutdruck, Depressionen und Krebs gegenüber.


Politik muss Farbe bekennen

Mit ihrem andauernden Protest haben die Bürger Ministerpräsident Volker Bouffier zu Recht unter Druck gesetzt die widersprüchliche politische Lage ändern zu müssen. Sein Amtsvorgänger Roland Koch hinterließ ihm ein Planfeststellungsverfahren, das die Mediationsergebnisse zum Nachtflugverbot ausgehebelt hatte, die mit Anwohnern und Gemeinden ausgehandelt wurden. Demnach sollen bis zu 17 Flüge zwischen 23 und 5 Uhr erlaubt sein. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof erklärte das jedoch im Oktober für rechtswidrig. Das Land klagte beim Bundesverwaltungsgerichtshof dagegen, das Revisionsverfahren wird im März in Leipzig entschieden. Dass das Land nicht einfach seine Revision gegen das Nachtflugverbot zurückzieht, sorgt für Unverständnis und zeugt von Inkonsequenz.

 

Gemeinsame Stärke

Um ihre Forderungen durchzusetzen, hat sich inzwischen eine starke, auf Solidarität basierende Gemeinschaft im Kampf gegen den Fluglärm gebildet. So haben sich mittlerweile 70 Bürgerinitiativen dem Bündnis der Bürgerinitiativen angeschlossen, das über 150.000 Menschen in der Region repräsentiert und das gemeinsam zu Demonstrationen aufruft oder Petitionen vorantreibt – so wie jene Petition, bei der Mitte Dezember 40.000 Unterschriften gegen den Fluglärm dem hessischen Landtag übergeben wurden.

 

Klare Forderungen

Die Forderungen des Bündnisses der Bürgerinitiativen gehen über das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr hinaus: Ganz oben auf der Liste steht die Stilllegung der neuen Landebahn und die Verringerung der Flugbewegungen insgesamt. Die Verhinderung weiteren Ausbaus sowie die Schaffung und Einhaltung einklagbarer Grenzen sind weitere wesentliche Teile des Forderungskatalogs.


Unzureichende Versprechungen

Zwar hat Fraport inzwischen etwas mehr Geld für weiteren Schallschutz, geänderte Flugrouten und finanzielle Hilfe bei einer Umsiedlung versprochen. Sie will auch besonders belastete Häuser vor dem Ausbau zum Verkehrswert aufkaufen. Doch diese Maßnahmen sind ein reines Feigenblatt und keinesfalls tauglich, die unmenschlichen Belastungen zu verringern.

 

Bilanz

Die Solidarität und Moral unter den Menschen der betroffenen Gemeindensind überwältigend. Für die Initiatoren und Aktivisten steht fest, den Kampf gegen den Fluglärm erst dann aufzugeben, wenn die Forderungen erfüllt sind. Bis dahin ist die Botschaft eindeutig: Wir kämpfen weiter – gegen den unzumutbaren Fluglärm in der Rhein-Main-Region!

100 Tage – 10 Thesen – 1 Botschaft

Die neue Landebahn ist seit 100 Tagen in Betrieb. Die BI Flörsheim Hochheim hat deshalb zehn Forderungen formuliert und diese zu einer zentralen Botschaft zusammengefasst:


1.    Stilllegung der Nordwest-Landebahn

2.    Verringerung der Flugbewegungen am Flughafen Rhein-Main

3.    Verhinderung des weiteren Ausbaus

4.    Verringerung der bestehenden Belastungen durch Fluglärm,Luftverschmutzung und Bodenverbrauch durch Flugverkehr im Rhein-MainGebiet

5.    Schaffung von rechtlich einklagbaren Grenzen der Belastungen fürdie Bürgerinnen und Bürger

6.    Absolutes Nachtflugverbot von 22.00 bis 6.00 Uhr

7.    Mehr Sicherheit vor Abstürzen

8.    Rücknahme der Revision durch die Landesregierung

9.    Schaffung eines nichtverfallbaren Rechtsanspruchs auf passivenSchallschutz in den dafür ausgewiesenen Gebieten mit sofortigerUmsetzung

10.    Aufhebung der EU-Verordnung


Wir kämpfen weiter –gegen den unzumutbaren Fluglärmin der Rhein-Main-Region!

 

 

 

Aus dem Greenpeace Magazin Ausgabe 4.12

https://www.greenpeace-magazin.de/von-lufthansa-0